Wenn du mit einer narzisstischen Mutter aufgewachsen bist, bist du auf eine „sehr besondere Weise“ groß geworden. Du hast deine Kindheit und Jugend in einer Art Paralleluniversum verbracht. Wahrscheinlich hast du dir nichts sehnlicher gewünscht als eine „stinknormale“ Mutter.
Der Film „Mommie Dearest“ über Joan Crawford, gespielt von Fay Dunaway, könnte die narzisstische Mutter nicht besser darstellen. Er basiert nicht umsonst auf der wahren Lebensgeschichte der Tochter Christina. Fay Dunaway liefert darin eine schauspielerische Glanzleistung ab.
Auch wenn deine narzisstische Mutter in deiner Kindheit kein Filmstar wie Joan Crawford war, hat sie sich sehr ähnlich verhalten. Das Leben der narzisstischen Mutter gleicht einem Theaterstück, in dem sie sowohl die Hauptrolle spielt als auch die Regie führt und alles andere bis ins kleinste Detail kontrolliert. Du bist Teil ihres Schauspiels und du hast den Part zu spielen, den sie dir zuweist.
Nichts ist ihr wichtiger als die Außenwirkung. Wirklich nichts. Deshalb spielt sie in jeder Lebenslage die perfekte Rolle. Sie schafft die perfekte Fassade und formt die Menschen um sich herum nach ihren Vorstellungen. Sie legt daher auch besonderen Wert darauf, dass alle Familienmitglieder perfekt aussehen und sich perfekt benehmen.
Du weißt nie, wer hinter all ihren Rollen steckt, die sie so überzeugend spielt. Wahrscheinlich weiß sie es selbst nicht so genau. Ihr Charme und ihre Liebenswürdigkeit ziehen Menschen in ihren Bann. Deine Freundinnen und Freunde sind begeistert von deiner Mutter, auch wenn du ihnen sagst, dass du es nicht bist. Als Kind wirst du außerdem Zeuge ihrer magischen Wirkung auf Männer. Aber nicht nur Männer suchen ihre Nähe. Doch sie lässt niemanden wirklich an sich heran. Auch dich nicht.
Deine narzisstische Mutter lebt nach eigenen Regeln. Deshalb hat sie wenig Skrupel, Regeln, die für andere gelten, zu brechen. Ein schlechtes Gewissen kennt sie nicht. Für sie ist das selbstverständlich, denn sie glaubt nur an ihre eigene Moral.
Eine Sache, die deine narzisstische Mutter nicht duldet, ist, dass du ihr widersprichst oder sie in Frage stellst. Wenn du das tust, wird sie sehr, sehr wütend. In ihren Augen liegt sie nie falsch. Sie dreht die Dinge dann auch so, dass du dich schuldig fühlst, weil du ihre natürliche Autorität in Frage stellst.
Ihr wichtigstes Credo, ihr wichtigster Satz: „Ich bin deine Mutter“. Diesen Satz wird sie dir immer wieder als ihr überzeugendstes Argument sagen. Ein Argument, das alles rechtfertigt, was sie tut oder nicht tut. Als Kind hast du ihr zu dienen, denn sie ist deine Mutter.
Vor diesem überzeugenden Argument, dem du einfach nichts entgegensetzen kannst, macht sie die absurdesten und für dich schädlichsten Dinge, wie dich ungefiltert mit ihren Problemen zu belasten oder dich mit Gewalt zu Dingen zu zwingen, die du nicht willst. Die Folgen für dich sieht sie nicht oder es ist ihr egal. Sie ist deine Mutter und als solche bist du ihr Eigentum. Mit ihrem Besitz kann sie machen, was sie will.
Deine narzisstische Mutter kann dir Liebe vorspielen. Ihr Schauspiel ist sehr überzeugend, doch du merkst irgendwann, dass sie spielt, weil ihr Verhalten inkonsistent ist. Erst ist sie aufmerksam und liebevoll, um im nächsten Augenblick scheinbar vergessen zu haben, was sie gerade noch spielte.
Sie lügt, ohne mit der Wimper zu zucken, um ihr absurdes Verhalten zu rechtfertigen oder ihre Ziele zu erreichen. Und sie ist eine Meisterin der Manipulation. Es ist gut möglich, dass sie in deiner Kindheit eine andere Rolle gespielt hat als in deinem Erwachsenenleben und dass du diese beiden Versionen von ihr einfach nicht zusammenbringen kannst. Sie passt sich perfekt an, um ihre Ziele zu erreichen.
Ihr Hauptziel ist es, dein Leben weiterhin zu kontrollieren und deine Unabhängigkeit zu verhindern. Deshalb freut sich deine narzisstische Mutter nur über dein Glück und deinen Erfolg, wenn du sie mit ihr teilst. Wenn auch sie etwas davon hat. Alles, was unabhängig von ihr geschieht wird sie ignorieren, abwerten oder sabotieren, wie sie es schon in deiner Kindheit getan hat.
Du liebst deine Mutter, wie jedes Kind seine Mutter liebt. Du kannst nicht anders. Aber irgendwann erkennst du, dass sie sich nicht lieben lässt. Das ist der Moment, in dem du dich aus ihren Fesseln befreist.
Hinweis: Narzissmus bezieht sich hier nicht auf eine psychiatrische Diagnose oder Persönlichkeitsstörung, sondern auf Narzissmus als Persönlichkeitsstil. Narzissmus ist keine Krankheit. Narzissten leiden nicht unter ihrem Persönlichkeitsstil. Sie sind jederzeit zurechnungsfähig und damit für ihr Handeln verantwortlich
Bild von Nicolás auf Pixabay.