Wenn Trauma zu Stärke führt – Chancen posttraumatischen Wachstums

Wir wissen um die verheerenden Folgen von Missbrauch, Misshandlung, aber auch Vernachlässigung in der Kindheit, die zu einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (K-PTBS) führen können. Die häufigsten Merkmale einer K-PTBS sind emotionale Flashbacks, toxische Scham, Selbstaufgabe, ein bösartiger innerer Kritiker und soziale Ängste (Walker, 2019).

Es gibt aber auch positive Folgen, die sich aus schwierigen Erfahrungen ergeben können. Posttraumatisches Wachstum wird in der psychologischen Fachliteratur als positive psychologische Veränderung definiert, die sich aus der Bewältigung eines Traumas oder einer sehr schwierigen Situation ergibt. Viele Menschen haben die Fähigkeit aus extremen Umständen zu lernen und zu wachsen. Es handelt sich um ein Sowohl-als-auch. Die positiven Veränderungen heben die negativen Auswirkungen nicht auf. Sie existieren nebeneinander. Mit der Idee des positiven Wachstums durch Trauma sollen die Auswirkungen extrem belastender Erfahrungen nicht negiert werden.

In Kunst und Literatur begegnet man dem Thema der Heldenreise schon seit Jahrtausenden. Der Held muss extreme Herausforderungen bewältigen, geht aber schließlich, trotz seiner Verletzungen und Narben, siegreich hervor.

Posttraumatisches Wachstum kann positive Veränderungen in der Selbstwahrnehmung, in zwischenmenschlichen Beziehungen und in der Lebensphilosophie mit sich bringen, was zu einem stärkeren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, einer offeneren Haltung gegenüber anderen, einer größeren Wertschätzung des Lebens und der Entdeckung neuer Möglichkeiten führt (Dell’Osso et al., 2022).

Menschen, die ein Trauma überlebt haben, können sich in der Zukunft besser in der Lage sehen, mit schwierigen Ereignissen umzugehen (Selbstwahrnehmung). Sie können ihre Sichtweise und ihre Gefühle in Bezug auf andere Menschen verändern und ein größeres Gefühl von Nähe und Zugehörigkeit erfahren (Beziehungen zu anderen). Sie können auch einen starken Sinn im Leben finden, eine umfassende Wertschätzung des Lebens und klare Prioritäten für das, was am wichtigsten ist (Lebensphilosophie) (Maitlis, 2020).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Bewältigung eines Traumas zu positiven Veränderungen im Menschen führen kann, die es ihm ermöglichen, mit großer innerer Weisheit, Lebensbejahung und Offenheit zu leben. Man könnte auch sagen, dass der Mensch dadurch eine Tiefe im Leben findet, die Menschen, die nie eine solche Heldenreise machen mussten, wahrscheinlich nicht erreichen.

Literatur

Dell’Osso, L., Lorenzi, P., Nardi, B., Carmassi, C., & Carpita, B. (2022). Post Traumatic Growth (PTG) in the frame of traumatic experiences. Clinical Neuropsychiatry19(6), 390.

Maitlis, S. (2020). Posttraumatic growth at work. Annual review of organizational psychology and organizational behavior7(1), 395-419.

Walker, P. (2019). Posttraumatische Belastungsstörung-Vom Überleben zu neuem Leben: Ein praktischer Ratgeber zur Überwindung von Kindheitstraumata. Unimedica ein Imprint der Narayana Verlag.

Bild von Alison Cave auf Pixabay

Veröffentlicht in:

Trauma

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

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