Es hat nur bedingt mit Selbstbewusstsein zu tun

Wir Frauen suchen Fehler immer bei uns selbst. Jedenfalls wenn wir zu den vorwiegend empathischen Frauen gehören und nicht zu denen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Letztere Gruppe spreche ich mit meinen Inhalten und Angeboten aber sowieso nicht an.

Als Frau hast du gelernt, dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist und du daher andauernd an dir arbeiten musst, um dich zu optimieren. Die meisten Frauen betrachten sich selbst daher, sowohl innerlich als auch äußerlich, wie eine Art Mängelexemplar. Natürlich ist es grundsätzlich gut dich selbst zu erforschen, dich zu reflektieren und nicht geheilte Schmerzpunkte in dir zu versorgen. Aber du übersiehst dabei eine wichtige Perspektive.

Obwohl ich Psychologin bin und Bücher des Genre „Ratgeberliteratur“ schreibe, also Bücher, die dich inspirieren sollen, mit und an dir selbst zu wachsen, möchte ich dich hiermit einladen einmal deine bisherige Perspektive zu ändern. Nicht du bist falsch, sondern du lebst in einem Kontext, der falsch ist. Dir fehlt es nicht an Selbstbewusstsein, sondern du lebst in Strukturen, die dein Selbstbewusstsein unterminieren.

Es ist nicht anders, als wenn eine Frau in einer Beziehung mit einem Narzissten steckt, es aber nicht erkennt und andauernd die Schuld für den katastrophalen Zustand der Beziehung bei sich selbst sucht. Das kommt häufiger vor als du denkst. Genauso gehen wir Frauen mit uns selbst und dem gesellschaftlichen Kontext, in dem wir leben, um.

Ich beziehe mich hier auf das Thema „Frauen im Rampenlicht“, aber das Problem durchzieht auch alle anderen Lebensbereiche. Um diese soll es hier gerade nicht gehen.

Die Gesellschaft unterstützt dich in der Rolle als Speakerin nicht oder nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Diese Rolle ist nach wie vor Männern vorbehalten, weshalb Männer selbstverständlich in der Öffentlichkeit sprechen und es für uns Frauen eine enorme Herausforderung darstellt. Statt zu erkennen, woher deine Unsicherheit wirklich kommt, führst du sie auf mangelndes Selbstbewusstsein zurück oder darauf, dass du sowieso keine Lust hast gesehen, gehört und verstanden zu werden.

Sorry, aber das ist bullshit.

Unter den widrigen Bedingungen, die die Gesellschaft uns Frauen bietet, ist es natürlich hilfreich ein gutes Selbstbewusstsein mitzubringen, damit du dich überhaupt dieser enormen Herausforderung stellen kannst. Es ist aber nicht die Ursache des Problems. Es ist außerdem völlig normal und natürlich als vollständiger Mensch, mit dem, was dir wichtig ist gesehen, gehört und verstanden werden zu wollen. Mangelnde Lust hat daher eher mit der Anpassung an die weibliche Geschlechterrolle zu tun. Die Ursache des Problem liegt in einer zweitausendjährigen Geschichte der Verdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Raum und daran, dass Frauen auch heute noch ins Private verbannt werden sollen – subtiler oder oftmals auch alles andere als subtil.

„Die öffentliche Rede war ein, wenn nicht das konstitutive Attribut der Männlichkeit.“

Mary Beard, 2018

Ich zähle dir jetzt nicht all die unzähligen Beispiele auf, die belegen, wie mit Frauen, die das Wort ergreifen, umgegangen wird – überall –, sondern ermutige dich, selbst hinzuschauen und zu beobachten.

Wenn du dir als Frau das Recht herausnimmst öffentlich für deine Themen einzutreten, d.h. in welcher Form von Öffentlichkeit auch immer – nicht nur unter Frauen – zu sprechen, bist du im wahrsten Sinne des Wortes eine Vorreiterin. Du bist dann extrem mutig und wirkst dadurch aktiv an der Transformation unserer Gesellschaft mit, zu mehr Gleichberechtigung der Geschlechter und mehr Gerechtigkeit.

Lese auch: https://juliakrawitz.com/2021/01/05/frauen-in-die-offentlichkeit/

Veröffentlicht in:

Feminismus, Psychologie, Speakerin

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

In toxischen Beziehungen wandelst du wie im Nebel. Ich unterstütze dich bei der Nebelklärung.

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