Du sprichst nicht nur mit Worten

Im Laufe des Lebens stellt sich bei den meisten Menschen irgendwann der Moment ein, an dem sie von ihren Körpern getrennt werden. Es muss irgendwann in der Kindheit oder spätestens Jugend passieren, dass wir unsere inneren Impulse nicht mehr selbstverständlich durch unseren Körper übersetzen lassen. Kleine Kinder tun das noch. Sie sind noch vollständige Wesen, d.h. wenn ihre Seelen sprechen, sprechen auch ihre Körper.

Ein weinendes Kind, weint mit dem ganzen Körper und nicht nur mit dem Gesicht oder ein paar Tränen. Diese natürliche Übertragung von innen nach außen wird irgendwann unterbunden oder unterbrochen. Wir sehen dann zahlreiche Menschen mit relativ leblosen, starren oder spannungslosen Körpern. Wenn diese Menschen nicht gerade eine Schauspielausbildung absolvieren, wo diese Übertragung bewusst und kontrolliert wieder hergestellt wird, bleiben die meisten Menschen in ihrer eigenen Vorstellung und ihrem Empfinden „körperlos“. Bei manchen Menschen ist die Trennung stärker ausgeprägt als bei anderen.

Wenn Trainings diesen Menschen nun beibringen beim Sprechen als Speakerin oder Speaker auch Arme und Hände einzusetzen, ist das vielfach kontraproduktiv, weil aufgesetzt. Ein Mensch wirkt dann von außen wie ein Roboter, den man programmiert hat seine Rede mit Gestik zu untermalen. Wir sehen dann Hände, die seltsam abgetrennt in der Luft rumfuchteln. Wir erleben dann Widersprüche zwischen Gestik, Mimik, Tonfall und Inhalt einer Rede. Das geschieht, wenn Menschen sich selbst aufteilen und von außen begutachten.

Es geht also nicht darum an der Oberfläche zu handeln, und dich wie eine Marionette zurecht zu rücken. Es geht darum dich wieder als körperliches Wesen zu erfahren, d.h. zu innerer und äußerer Ganzheit zurück zu finden. Die Übersetzung deiner inneren Impulse kann dann in deinem Körper sichtbar werden.

Es ist nichts, was du mit ein paar Stunden Übung erreichen kannst, aber du kannst deine Ganzheit ganz allmählich und Stück für Stück zurückerobern, sobald du verstanden hast, worum es eigentlich geht.

Übung [1]: Du solltest alleine sein, in einem geschützten Raum (eventuell in deinem Schlafzimmer). Du kannst liegen oder stehen. Spüre, was du gerade fühlst (alle Gefühle sind erlaubt). Lasse deinen Körper diese Gefühle zum Ausdruck bringen. Wenn du noch mutiger vorgehen willst, kannst du deine Stimme einbeziehen. Das Wichtigste ist, dass du nichts „spielst“, d.h. etwas aufsetzt (das tun die meisten Menschen, wenn sie erstmals versuchen Gefühle in den Körper zu übersetzen). Mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit wird es nicht „schön aussehen“, was dein Körper nach außen bringt. Mache vorsichtige Versuche und überfordere dich nicht. Dein Übertragung wird durch kleine Schritte immer besser. Diese Übung ist gesund, weil die emotionale Übertragungsblockade langfristig körperlich krank macht.


[1] Diese Übung kann dich u.U. aufwühlen. Wenn du stark traumatisiert bist und mit den damit verbunden Emotionen noch wenig im Kontakt warst, rate ich dir von dieser Übung ab.

Veröffentlicht in:

Körper, Psychologie, Speakerin

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

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