Die Psychologie macht viel Aufhebens um das Selbst. Aber was meint „Selbst“, außer dass die meisten Menschen viel Unzufriedenheit und Unglücklichsein damit verbinden?
In letzter Zeit kommen mir Zweifel, ob die Psychologie in ihren Grundfesten letztlich wirklich hilfreich ist. In jedem Fall benötigt sie eine Erweiterung, um nicht das zu stärken, was sie eigentlich bekämpfen will. Die Angst vor der eigenen Existenz.
Die Tatsache, dass wir uns alle als dieses begrenzte Konstrukt mit einem klar definierten Anfang und einem radikalen Ende wahrnehmen, führt zwangsweise zu tiefgreifender Angst vor dem Leben und vor dem Tod.
Das „Selbst“ ist nichts als eine illusionäre Vorstellung, die den Menschen wie in einer Art Gefängnis hält. Eine Bezeichnung, die sich nicht auf etwas Reales bezieht, sondern auf eine Idee, die der menschliche Verstand irgendwann einmal gesponnen hat, um das große Mysterium des Lebens in eine Box zu packen, über die ab diesem Moment kaum jemand mehr hinausgeht.
Wo fängt das Selbst an und wo hört es auf? Wenn wir das psychologische Selbst meinen, dann beginnt es ungefähr mit der Geburt und endet mit dem Tod. Denn es meint nichts weiter als unsere Persönlichkeit, unsere Lebensgeschichte und unsere Gedanken. All das endet mit dem Tod und all das hat in einem größeren Zusammenhang recht wenig Bedeutung. Manch einer behauptet sogar, das Leben sei nichts weiter als ein Traum oder eine vorübergehende Projektionsfläche.
Wenn wir betrachten, wie Leben entsteht, müssten wir eigentlich bemerken wie begrenzt unser Sicht auf Leben und Tod ist. Alle Lebensformen entstehen aus Leben, wie wir einst aus dem Leben unserer Eltern entstanden sind. Somit haben wir keinen Anfang, sondern sind nur ein Übergang zu einer neuen Form. Alles ist Lebensenergie, die nicht vergehen kann, weil sie keinen Anfang hat. Mit dem Tod, der so wenig existiert wie unser Leben, wird nur das begrenzte psychologische Selbst hinweggefegt.
Ich habe einmal einen toten Mann im Wald gefunden. Als ich auf Polizei und Rettungsdienst wartete, konnte ich mir den leblosen Körper eine Zeit lang anschauen. Der Anblick hatte etwas extrem Beruhigendes, denn es war so offensichtlich, dass in dieser Hülle kein Hauch von Leben mehr war. Aber wo war das Leben hin? Energie, die diese Hülle einmal belebt hatte, vergeht nicht einfach. Sie kehrt zurück ins größere SEIN, aus dem sie einmal entstanden ist, aus dem alle Lebensformen entstehen. Weshalb unsere Körper letztendlich auch so unbedeutend sind. Wir sind nicht unsere Körper. Wir sind auch nicht unsere Lebensgeschichte und schon gar nicht unsere Gedanken. Daher sterben wir nicht. Das, was wir als unser Leben bezeichnen, ist nicht einmal ein Wimpernschlag in der Unendlichkeit des SEINS, das nirgendwo anfängt und nirgendwo aufhört, von dem wir ein klitzeklitzekleiner Bestandteil sind. Ein minikleiner Stern im grenzenlosen Universum.
Leben und Tod sind Illusion, weil wir viel mehr sind und weil wir im allumfassenden SEIN fast nichts sind.