Normalerweise switche ich bei der Ankündigung der Morgenandacht sofort den Sender meines Autoradios. Gleichzeitig ärgere ich mich über die tiefe Verflechtung des Klerus mit allen Bereichen unserer Gesellschaft und dass sogar mein Lieblingsradio den Kirchen eine Plattform bietet. Ich weiß nicht, warum ich mich heute früh anders entschieden habe und mir die Andacht anhörte. Noch dazu von der katholischen Kirche, aus der ich vor kurzer Zeit ausgetreten bin.
Wer hätte das gedacht. Das Thema sprach mich sofort an und ein psychologischer Podcast hätte es nicht besser vermitteln können. Ich dachte dabei:
Das Leben schenkt einem gerade dann wertvolle Einsichten, wenn man es am wenigsten erwartet.
Es ging um Scham. Ein schier unerträgliches Gefühl. Eine Erfahrung, die ein gesamtes Leben bestimmen und unmerklich zersetzen kann. Eine Grundstimmung, die wir oft nicht einmal mehr wahrnehmen, weil wir uns nicht mehr spüren. Scham, weil wir nie als die angenommen wurden, die wir eigentlich sind. Scham, weil wir uns als wertlos erfahren haben. Im biblischen Gleichnis stirbt das Kind an diesem Gefühl bis Jesus es zu neuem Leben erweckt, indem er es liebend annimmt.
Der Tod steht hier für ein Sterben, das sich innerlich vollzieht. Es geschieht nach und nach, fast unmerklich, wenn wir unsere Individualität und Lebendigkeit unterdrücken, weil wir uns für unser wahres Selbst schämen.
Wir zeigen uns nie wirklich, sondern erfüllen immer nur die Erwartungen Anderer und gesellschaftliche Konventionen.
Vom Tod auferstehen meint daher sichtbar werden und eine eigene Sprache finden.
Jesus fordert das Kind auf aufzustehen, um das Leben „schamlos“ zu leben.
In diesem Sinne kann mit dem neuen Leben jederzeit begonnen werden. In jedem Alter.
Ein guter Beitrag der katholischen Kirche im Deutschlandfunk. Bisher habe ich „schamloses Leben“ und die damit einhergehende Lebensfreude nicht gerade mit ihr in Verbindung gebracht.