Liebeserklärung an den feministischen Mann

Um nicht allzu emotional in diesen Text einzusteigen und ohne Einleitung und Hinführung meine Liebe für den feministischen Mann zu offenbaren, beginne ich erst einmal emotionslos mit dem Mann, der mit Feminismus nichts am Hut hat.

Dieser behauptet immer wieder gerne und nachdrücklich, es gebe keine Benachteiligung von Frauen, keine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und auch keinen Sexismus. Er hat stets ein Gegenbeispiel parat, das aus seinem subjektiven Erfahrungshorizont stammt. Denn beim Thema Feminismus braucht er weder Empirie noch Zahlen, selbst wenn ihm diese in anderen Bereichen sehr wichtig sind. Hier muss seine persönliche Empfindung ausreichen, schließlich ist das ja auch alles nicht so wichtig und wirklich befasst hat er sich mit dem Thema nicht. Er möchte einfach Recht haben und zeigen, dass er als Mann auch hier den Durchblick hat.

Er sieht sich in Diskussionen über Chancengleichheit oder hinsichtlich Gleichstellungsmaßnahmen dann auch schnell mal selbst benachteiligt. So verweist er auf die in seinen Augen alles regelnde Kompetenz, die Frauen nur mitbringen müssten, um sich auf dem freien Markt durchzusetzen.

Im Kampf um wichtige gesellschaftliche Ressourcen propagiert er also das Prinzip des „Survival oft the fittest“ eines längst überholten Sozialdarwinismus. Dabei kommt er auch noch völlig geschichtsvergessen daher und ignoriert einfach Jahrtausende abendländischer Kultur, die Frauen in der Öffentlichkeit den Mund verbat und sie noch in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von Politik, Öffentlichkeit und Erwerbsleben ausschloss.

Das Gendern und das Gender-Sternchen sind für ihn lästige Provokationen. Schließlich wird er in der deutschen Sprache angesprochen. Das muss reichen.

Jetzt komme ich zum feministischen Mann.

Was für ein feiner Mann. Was für ein Schatz für uns Frauen. Was für ein liebenswerter Mensch. Denn obwohl auch er als Mann in seiner Sozialisation all die offensichtlichen und subtilen Formen der Benachteiligung von Frauen, wenn überhaupt nur bei Mutter oder Schwester beobachten konnte und nie selbst erfahren hat, verfügt er über so viel emotionale Intelligenz, um sich in die komplett andere Erfahrungswelt von Frauen hineinversetzen zu können.

Vielleicht hat er auch selbst, wie fast alle Menschen, leidvolle Erfahrungen der Missachtung seiner Persönlichkeit erlebt und kann intelligent auf diesen emotionalen Erfahrungsschatz zurückgreifen, um Missachtung bei anderen Menschen zu verstehen.

Zudem bringt er Frauen schon einmal ganz grundsätzlich Respekt entgegen, weil er in sich kein Bedürfnis nach männlicher Dominanz verspürt. Er würde Frauen daher auch nie ihre Wahrnehmung bezüglich ihrer persönlich erlebten Unterdrückung absprechen.

Aufgrund seines Gerechtigkeitssinns und seiner Sensibilität lehnt er die Benachteiligung der Frau zutiefst ab. Hier kann er, anders als der einleitend beschriebene Mann, von sich selbst absehen und eine berührende Form der Fürsorge für das andere Geschlecht und auch andere benachteiligte Gruppen zum Ausdruck bringen.

Seine Männlichkeit muss er nicht ständig verzweifelt betonen, weil er sie nicht wie eine Maske vor sich her trägt. Er weiß, dass er als Mann zum privilegierten Geschlecht auf dieser Welt gehört, umso mehr ist es ihm ein Anliegen sich für die Rechte von Frauen und für eine insgesamt gerechtere Welt einzusetzen.

Es ist beruhigend, dass sich so viele feministische Männer unter der jüngeren Generation Männer finden. Junge Frauen sollten sie lieben oder immerhin extrem wertschätzen. Denn der feministische Mann ist nun mal alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Veröffentlicht in:

Psychologie

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

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