Es hilft ein Blick in die Vergangenheit, um zu verstehen, wo man sich befindet. In Bezug auf die menschliche Ernährung ist das nicht anders. Anhand der großen geschichtlichen Verläufe, können Zeitenwenden menschlicher Ernährung ausgemacht werden. Diese helfen beim besseren Verständnis darüber, warum sich im 21. Jahrhundert wieder eine radikale Zeitenwende vollzieht.
Seit ungefähr zwei Jahrhunderten leben wir als Arbeiter*innen oder Unternehmer*innen, verdienen Geld, um ohne größeren Aufwand sehr unterschiedliche Lebensmittel mit hohem Kaloriengehalt einzukaufen und zu verzehren. Erst war für benachteiligte Schichten der Gesellschaft noch Mangel vorhanden, während Privilegierte im Überfluss lebten. Heute haben in den industrialisierten Ländern fast alle Menschen Zugang zu kalorienreichen Lebensmitteln, nicht aber gleichermaßen zu gesunden.
Zehn Jahrtausende lang waren wir Bauern und Hirten, was eine große Menge an Nahrung ermöglichte, doch wenig Vielfalt, denn die Ernährung reduzierte sich meist auf eine einzige Nutzpflanze und etwas Fleisch aus der Viehzucht.
Hundertausende von Jahren haben unsere Vorfahren gejagt und gesammelt. Ihre Ernährung war vielseitig, denn Wildbeuter*innen ernährten sich beim Streifzug durch die Savanne von duzenden verschiedenen Nahrungsquellen. Sammeln war dabei weit wichtiger als die Jagd und deckte den größten Kalorienbedarf.
Evolutionspsychologisch ergibt sich aus unserer Vorgeschichte ein Problem, denn in den Industrienationen sind Nahrungsmittel, einem „Schlaraffenland“ gleich, im Überfluss vorhanden. Unsere Gehirne sind durch ihre lange Prägung (hunderttausende von Jahren!) auf ein Leben als Jäger und Sammler programmiert. Wir essen selbst wenn wir keinen Hunger haben, am liebsten süß, fettig und kalorienreich. Nahrung war für die Wildbeuter*innen nur unter Mühen zu beschaffen, daher war es durchaus sinnvoll sich den Magen vollzuschlagen, sobald Nahrung zur Verfügung stand. Unsere Gene sind jedoch auch heute noch davon überzeugt, dass wir durch die Savanne streifen. Man könnte sagen, es handelt sich um eine evolutionär bedingte „Fehlschaltung“.
Es erstaunt daher nicht, dass Menschen, den Empfehlungen der Ernährungsfachgesellschaften zum Trotz, nur schwer dazu gebracht werden können, ihre Ernährung im Sinne von Gesundheit und Nachhaltigkeit umzustellen. Es könnte auch erklären, warum ganze Gesellschaften mit politischer Unterstützung und wider besseren Wissens und Gewissens den Überkonsum tierischer Lebensmittel aufrechterhalten. In einer Art kollektiven Verdrängung, mit katastrophalen Folgen für planetare und menschliche Gesundheit.
Wir erleben in diesen Tagen gleich verschiedene, vom Menschen verursachte Katastrophen für die Weltgesundheit – den Klimawandel, die Biodiversitätskrise, Antibiotikaresistenzen und chronische Krankheiten. Hinzu kommen lebensbedrohende Pandemien wie Covid-19. All diese Krisen werden in entscheidendem Maß oder sogar haupt ursächlich durch unser Ernährungssystem und unsere Ernährungsgewohnheiten bedingt.
Auf rationaler Ebene und auf der Ebene internationaler Übereinkommen, wie globale Nachhaltigkeitsagenda und Pariser Klimaabkommen, besteht Konsens, dass planetare Grenzen existieren, derzeit ausgereizt werden und bei Überschreitung das Aussterben der Menschheit nicht nur wahrscheinlich ist.
Eine Zeitenwende steht an und ist gut zu verkraften. Tierische Lebensmittel, die wir bis dahin in uns hinein geschaufelt haben, als gäbe es kein Halten mehr, haben im 21. Jahrhundert alle eine nachhaltigere Alternative. So gilt es noch nicht einmal unsere genetische Programmierung zu überwinden, sondern nur darum neue Ernährungsquellen zu nutzen. Schlagen wir uns doch einfach mit planzenbasierten Burgern und Veggi-Würsten die Bäuche voll. Diese Alternative haben wir, eine andere nicht.
Literatur:
Harari, Y. N. (2013). Eine kurze Geschichte der Menschheit. DVA.
Klotter, C. (2017). Einführung Ernährungspsychologie (Vol. 2). utb.