Julias 4-Phasen-Modell für Klarheit und Stabilisierung
Beziehungen mit pathologischen Menschen – wie Narzissten – sind traumatisierend. Statt angemessene Hilfe und klare Informationen zu erhalten, werden Überlebende solcher Beziehungen oft noch mehr verwirrt, verunsichert – oder sogar re-traumatisiert.
In diesem Artikel beschreibe ich, was Überlebende toxischer Beziehungen wirklich brauchen – und was ihnen schadet. Dafür habe ich ein Vier-Phasen-Modell entworfen, inspiriert durch die Forschung von Sandra L. Brown.
Phase 1 – Stabilisierung und Regulierung des Nervensystems
Ziel: Sicherheit ist wichtiger als Verstehen
Dein Nervensystem ist durch eine toxische Beziehung im Ausnahmezustand. Vielleicht hast du eine Traumafolgestörung mit Flashbacks, ohne es zu wissen – weil du seit Jahren oder Jahrzehnten im Überlebensmodus funktionierst. Oft spürst du erst wenn es allmählich besser wird, wie mitgenommen du warst. Genau das macht toxische Beziehungen so gefährlich für die Gesundheit.
Bevor du irgendetwas „aufarbeitest“, braucht dein Nervensystem Beruhigung, Halt und Vorhersagbarkeit. Du musst allmählich „das Toleranzfenster deines Nervensystems“ (Siegel, D.J., 1999) erweitern, um dich nicht dauernd in den Extremen von Über- oder Untererregung wiederzufinden.
Hilfreich: Struktur, Routinen, Natur, Schlaf, Selbstfürsorge, Körperarbeit, gute Trauma-Therapie, wenn möglich keinen Kontakt (nicht als Wundermittel, sondern als Schutz- und Erholungsmaßnahme).
Schädlich: Druck zur Verarbeitung, zu früh intensive Therapiegespräche, „Vergebung“ als spiritueller Zwang, ständiges Sprechen über das Erlebte oder das Anhören vieler Geschichten anderer Überlebender, sowie Social Media mit toxischen Dynamiken oder beunruhigenden Inhalten.
Erst wenn dein Körper weiß, dass du jetzt sicher bist, kann dein Geist beginnen wirklich zu verstehen, was du erlebt hast.
Phase 2 – Kognitive Dissonanz auflösen
Ziel: Mentale Klarheit und die Realität wieder klar sehen
Die widersprüchlichen Erfahrungen („Er war doch auch liebevoll“ oder „Er war so ein toller Vater und so erfolgreich im Beruf“ gegenüber „Er hat mich zerstört“, „Er war eiskalt und brutal“) führen in deinem Gehirn zu einem speziellen Problem – einer besonders massiven kognitiven Dissonanz (vgl. Brown, 2009) .
Hilfreich:
- Angemessene Aufklärung, die dich nicht erneut in die kognitive Dissonanz schubst
- Journaling, um deine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten
- Dich ERINNERN: Missbrauch hat nur mit dem Täter zu tun, nicht mit dir. Du hast keine pathologische Persönlichkeit. Du bist in diese Hölle geraten – du hast sie nicht erschaffen.
- Das „sachliche Erinnern“ an extreme Momente der Beziehung, um nicht wieder zu relativieren.
Schädlich: Spirituelles Gaslighting („Du hast dir das selbst erschaffen“), Relativierung („Jede Beziehung hat zwei Seiten“, „Nicht alles war schlecht“), Schuldzuschreibungen („Das ist passiert, weil du dein Kindheitstrauma nicht bearbeitet hast“) oder Gespräche mit Menschen, die dich wieder in die Dissonanz schubsen, weil sie nie hinter die Maske des Narzissten blicken konnten.
Wenn du deine kognitive Dissonanz auflöst, kehrst du aus der Manipulationsmatrix in deine Realität zurück. Du siehst auf einmal sehr klar – und gewinnst dadurch viel Macht zurück. Du wirst feststellen: Ich bin nicht falsch. Ich bin nicht schwach.
Phase 3 – Selbstverlust rückgängig machen
Ziel: Die eigene Identität zurückerobern
In toxischen Beziehungen wirst du systematisch destabilisiert und verwirrt. Du übernimmst das negative Selbstbild, das der Narzisst von dir erschafft, du zensierst dich selbst, bis du kaum noch vorhanden bist – alles, weil du nicht weißt, dass du es mit einem pathologischen Menschen zu tun hast. Und weil du ein Mensch bist, der sich selbst reflektiert und hinterfragt – eine wunderbare Eigenschaft, die dich mit toxischen Menschen noch verletzlicher für Gaslighting und kognitive Dissonanz macht. In der Beziehung reagierst du andauernd traumatisiert – daher erkennst du dich selbst nicht wieder.
Hilfreich: Leichtigkeit, Kreativität, Humor, emotionaler Ausdruck, dich selbst wieder ins Zentrum stellen, dir Räume für deine Individualität schaffen, dich mit guten Menschen umgeben. Das Abo „Julias Theater“ setzt hier an – jeden Monat geht es um ein spezielles Thema, das dich stärken und sichtbar machen soll.
Schädlich: Fokus auf andere Menschen, Stress, erneute toxische Dynamiken.
Du wirst nicht die Alte – du wirst du selbst. So, wie du mit deiner wunderbaren Persönlichkeit vorgesehen warst.
Phase 4 – Schutz vor pathologischen Menschen
Ziel: Selbstschutz durch Bewusstsein und geeignete Strategien
In dieser Phase lernst du, warum du für pathologische Menschen „hochattraktiv“ bist – und wie du damit umgehst.
Hilfreich: Körpergrenzen spüren, dir einen „inneren Aufpasser“ an die Seite stellen, intuitive Frühwarnzeichen ernst nehmen, Trainings, in denen du lernst zu deiner Sicherheit deine offene, tolerante, empathische und gewissenhafte Persönlichkeit nicht immer zu zeigen (siehe „Julias Theater“ vor Ort).
Schädlich: Angst vor Nähe, Generalisierung („Alle Menschen sind toxisch“, „die Welt ist schlecht“), oder den Fehler, das Thema Selbstschutz nicht ernst zu nehmen.
Es geht nicht darum, dich zu verschließen – sondern klar zu entscheiden, wem du dich öffnest. Es ist gefährlich, diesen Punkt zu übersehen. Denn es reicht nicht aus nur zu verstehen. Es geht darum je nach Situation etwas anderes zu verkörpern.
Literatur: Brown, S. L. (2009). Women who love psychopaths: Inside the relationships of inevitable harm with psychopaths, sociopaths, and narcissists. Mask Publishing.




