Warum du ein „people-pleaser“ geworden bist

„People-Pleasing“ ist eine wenig wertschätzende Bezeichnung für eine menschliche Verhaltensweise, die ursprünglich auf etwas Überlebenswichtigem beruht. People-Pleasing entsteht aus einer „festgefahrenen“ automatischen Reaktion des menschlichen Nervensystems auf Bedrohung. „People-pleasing“ hat seinen Ursprung im Beschwichtigen (engl. fawning) eines Aggressors. Auch Tiere beschwichtigen. Beispielsweise können sich Hunde in einer Konfliktsituation mit einem stärkeren oder aggressiveren Hund unterwerfen und mit ihrer gesamten Körpersprache versuchen, diesen Hund zu beschwichtigen und zu beruhigen.

Neben dieser automatischen Beschwichtigungsreaktion auf Bedrohung und Gefahr stehen dem menschlichen Nervensystem die Reaktionen Kampf, Flucht oder Erstarrung zur Verfügung. Menschen, die in ihrer Kindheit mit narzisstischen Bezugspersonen aufwachsen mussten, gehören später häufig zu den so genannten „People-Pleasern“, weil sich die automatische Traumareaktion auf verantwortungslose Eltern oder andere Bezugspersonen verfestigt hat.

Es ging darum, Sicherheit in unsicheren Beziehungen zu finden.

In der Kindheit sicherten Unterwerfung und Beschwichtigung ein Mindestmaß an Bindung, da Flucht aussichtslos war, weil das Kind die Eltern zum Überleben brauchte und Kampf, d.h. das Kind hätte sich gewehrt, zu einer weiteren Traumatisierung durch elterliche Vergeltung geführt hätte. Erstarrung ist häufig die andere verfestigte Traumareaktion dieser Kinder, z.B. mit Dissoziation, Flucht in Fantasiewelten, sozialem Rückzug, Serienkonsum oder Schlafen.

Meist haben erwachsene Kinder von Narzissten aufgrund ihrer Kindheitserfahrungen große Angst vor Konflikten und sind daher in zwischenmenschlichen Interaktionen bestrebt, die Gefühle und Wünsche des anderen zu „lesen“, zu steuern / kontrollieren oder mögliche Konflikte durch „People-Pleasing“ zu vermeiden. Sie sind dann beispielsweise sehr hilfsbereit und sehr flexibel, verbreiten gute Laune oder schenken viel Anerkennung. Dafür werden die eigenen Bedürfnisse, die eigene Meinung und der authentische Selbstausdruck geopfert. Das bedeutet nicht, dass diese Menschen kaputt sind, sondern sie versuchen aufgrund ihrer Traumatisierung, in Beziehungen Sicherheit um jeden Preis herzustellen.

Am Arbeitsplatz ist dieses Verhalten besonders ausgeprägt, da das eigene Überleben tatsächlich vom gezahlten Gehalt abhängt und traumatisierte Menschen dadurch unbewusst immer wieder an ihre ausweglose Abhängigkeit von verantwortungslosen Eltern erinnert werden.

Die Überwindung des „Beschwichtigens“ ist ein allmählicher Prozess, der persönliches Wachstum erfordert und die folgenden Schritte umfasst:

  • Verstehen, woher das „Beschwichtigen“ kommt.
  • Lernen, dass es sich in vielen Situationen lohnt, Konflikte auszutragen und den eigenen Standpunkt, die eigenen Gefühle oder Bedürfnisse und damit das eigene Selbst zum Ausdruck zu bringen.
  • Verstehen, dass andere Menschen im Erwachsenenleben nicht grundsätzlich eine Bedrohung darstellen
  • Definieren der eigenen Werte, Überzeugungen und Lebensziele als Grundlage für Selbstausdruck und Abgrenzung/Differenzierung
  • Verstehen, dass alle Menschen das Recht auf eigene Gedanken, eigene Gefühle, eigene Erfahrungen, eigene Bedürfnisse und eigene Vorlieben haben.
  • Eigene Interaktionen mit Selbstmitgefühl reflektieren.

Hinweis: Narzissmus bezieht sich hier nicht auf eine psychiatrische Diagnose oder Persönlichkeitsstörung, sondern auf Narzissmus als Persönlichkeitsstil. Narzissmus ist keine Krankheit. Narzissten leiden nicht unter ihrem Persönlichkeitsstil. Sie sind jederzeit zurechnungsfähig und damit für ihr Handeln verantwortlich.

Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash

Veröffentlicht in:

Heilung, Narzissmus, Psychologie, Trauma

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

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