Sie lebt mit einem Partner[1] unter einem Dach, der ihr gegenüber zutiefst feindselig ist. Sie teilt das Bett mit ihrem Feind, sie bekommt Kinder mit ihrem Feind, sie fährt in den Urlaub mit ihrem Feind und verbringt Jahrzehnte mit ihrem Feind.
Sie weiß nichts von der Feindseligkeit ihres Partners, weshalb sie in einer Beziehung stecken bleibt, die allmählich ihren Geist zerstört. Sie spürt nur, dass etwas nicht stimmt, weiß nicht, was es ist, und lebt in der Hoffnung, dass sich das ändert. Sie gewöhnt sich an die tägliche Dosis Gift, die ihrer Seele verabreicht wird, und weiß nicht mehr, wie es sich anfühlen würde, einen wertschätzenden und unterstützenden Partner an ihrer Seite zu haben. Sie lebt mit einem Partner, der sie gezielt und systematisch durch Machtspiele „verrückt“ macht. Ein Partner, der sie rund um die Uhr kritisiert, beschuldigt oder in rasende Wut ausbricht.
Narzisstische Partner leben in einer völlig anderen Realität als die Überlebenden. Sie fabrizieren in ihrem Geist Geschichten, um zu erklären, warum sie sich durch die Persönlichkeit, den Erfolg oder das Glück ihres Partners angegriffen fühlen. Überlebende hingegen versuchen, es ihren feindseligen Partnern recht zu machen, versuchen sich ihnen zu erklären und verteidigen sich, als ob ihre Partner rational handeln würden. Sie gehen davon aus, dass sich der toxische Partner in der gleichen Realität befindet, wie sie selbst und dass es nur Verständnisprobleme gibt, die gelöst werden können. Das ist nicht der Fall.
Während der toxische Partner Macht und Dominanz über seine Partnerin anstrebt, geht sie von einer Beziehung aus, die auf Gegenseitigkeit und gemeinsamem Erschaffen basiert. Während er seine Partnerin nicht als gleichwertig betrachtet, strebt sie nach Akzeptanz und gegenseitigem Respekt. Die Realitäten, in denen beide leben, könnten nicht gegensätzlicher sein.
Narzissten misshandeln ihre Partner verbal und nicht selten auch körperlich. Verbale Misshandlungen sind Schläge, die keine Spuren hinterlassen und sind daher viel verwirrender als körperliche Misshandlungen. Verbaler Missbrauch umfasst subtile Herabsetzung oder Wutausbrüche, kalte Gleichgültigkeit oder Überheblichkeit, bösen Sarkasmus oder stille Ablehnung, Manipulation oder unrealistische Forderungen (vgl. Evans, 2010).
Der verbale Missbrauch findet hinter verschlossenen Türen statt, so dass es in der Regel keine Zeugen gibt. Der Täter leugnet den Missbrauch, indem er ihr sagt, er wisse nicht, wovon sie spreche. Die Überlebende glaubt mit der Zeit, dass mit ihr oder der Art und Weise wie sie kommuniziert, etwas grundlegend falsch ist. Verbaler Missbrauch ist ein zutiefst feindseliger Angriff. Die Überlebende erkennt dies nicht, weil ihr eingeredet wird, dass sie ihren Gefühlen nicht trauen kann und diese systematisch abgewertet werden. Vielleicht geht dies bereits in ihre Kindheit zurück, in der die Eltern ihr vermittelt haben, dass sie Gefühle ignorieren muss.
Wenn sie wüsste, dass ihr Partner sie nicht liebt, wertschätzt und respektiert, könnte sie die Beziehung verlassen. Wenn sie wüsste, dass er ihre Wärme und Offenheit zurückweisen muss, weil er seine eigene Verletzlichkeit nicht erträgt, könnte sie aufhören zu hoffen. Sie weiß es nicht. Und so lebt sie Jahr für Jahr in einem Gefängnis aus Missbrauch und Verwirrung, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint.
[1] Es kann sich um einen Mann oder eine Frau handeln. Hier wird für die Überlebende die weibliche Version gewählt, da mehr über den Missbrauch von Frauen bekannt ist. Auch Männer werden in toxischen Beziehungen missbraucht. Sie sehen sich noch seltener als „Missbrauchsopfer“ als Frauen.
Literatur
Evans, P. (2010). The verbally abusive relationship: How to recognize it and how to respond. Simon and Schuster.