Trauma: Gerechtigkeit gibt es nicht

Judith Herrmann schreibt in ihrem bahnbrechenden Buch „Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahrungen verstehen und überwinden“ wie folgt:

„Der Konflikt zwischen dem Wunsch, schreckliche Ereignisse zu verleugnen, und dem Wunsch, sie laut auszusprechen, ist die zentrale Dialektik des psychischen Traumas.“

Die meisten traumatisierten Menschen leiden an Symptomen, die von ihrem Trauma erzählen und es gleichzeitig als Geheimnis bewahren. Wer traumatisiert wurde hat psychische Schäden davongetragen. Ein Trauma prägt das ganze Leben eines Menschen. Es kann nicht rückgängig gemacht oder gelöscht werden. Erst wenn es dem Menschen gelingt das Trauma zu integrieren, bestimmt es sein Leben nicht mehr. Auch wenn es für immer ein Teil von ihm bleibt.

Heilung kann nur eintreten, wenn ein Mensch die Wahrheit über sich selbst erkennt und sie nicht mehr verleugnet, verdrängt oder dissoziiert.

In den seltensten Fällen findet er dabei Gerechtigkeit. Sowohl die Täter und Täterinnen als auch die Gesellschaft unterstützen die psychischen Prozesse der Verleugnung, Verdrängung oder Dissoziation.

Über das Trauma zu lügen und zu schweigen, ist Teil des Traumas.

Das gilt nicht nur für die individuelle, sondern auch für die gesellschaftliche Ebene: Das Böse soll nicht gesehen und nicht gehört werden. Niemand soll darüber sprechen.

Überlebende von Trauma wünschen sich aber nichts mehr, als die Last ihres Schmerzes teilen zu können. Sie sehnen sich nach Gerechtigkeit, weil ihnen Unrecht angetan wurde. Gerechtigkeit würde bedeuten, dass die Täter und Täterinnen zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie anerkennen, was sie getan haben.

Täter fördern aber immer Geheimhaltung und Schweigen. Wenn das nicht geht, greifen sie die Glaubwürdigkeit der Überlebenden an. Folgende Sätze beziehen sich auf die Ebene einer Beziehung zweier Menschen. Sie können aber auch leicht umformuliert werden, für die Ebene der Gesellschaft oder für größere Gruppen:

  • „Es ist nicht geschehen.“
  • „Du lügst.“
  • „Du übertreibst.“
  • „Du bist selbst schuld.“
  • „Man sollte die Vergangenheit ruhen lassen.“

Je mächtiger ein Täter ist, desto leichter kann er die Realität umdeuten. Überlebende werden als unglaubwürdig dargestellt und unsichtbar gemacht. Menschen wählen in den meisten Fällen die Lügen der Täter, denn die Seite der Überlebenden beinhaltet in der Konsequenz Leid und Schmerz mitzutragen.

Tragischerweise suchen Überlebende oft Bestätigung und Anerkennung ihres Schmerzes bei den Personen, die sie missbraucht haben. Das ist, als würden sie Gift freiwillig einatmen oder Säure in ihre eigenen Wunden schütten. Sie werden retraumatisiert, in ihren psychischen Verdrängungsmechanismen bestärkt oder durch Gaslighting verwirrt. Nichts liegt Narzissten ferner, als Fehler einzugestehen und anzuerkennen. Es sei denn, sie tun es manipulativ, mit einem bestimmten Ziel (z.B. die Person wieder in die toxische Verstrickung zu ziehen). Nicht genug, unterstützt nicht selten das gesamte Familiensystem oder soziale Umfeld die Verleugnung. Da kommt es dann zu Täter-Opfer-Umkehr und zu DARVO (deny, attack, reverse victim and offender) oder anderen Abwehrstrategien. Sich auf die Seite der narzisstischen Lüge zu stellen, bedeutet, das eigene Weltbild aufrechtzuerhalten. Manche Überlebende sind dann zusätzlich gezielten Schmutzkampagnen ausgesetzt, die von den narzisstischen Tätern initiiert werden, um ihren Ruf und ihre Glaubwürdigkeit zu diskreditieren.

Was braucht es, um von Trauma zu heilen?

  • Die Herstellung von Sicherheit

Reale Sicherheit vor Missbrauch und das Wiedererlangen eines Gefühls der Sicherheit im eigenen Körper.

  • Die Geschichte des Traumas verstehen / anerkennen / zum Ausdruck bringen

Verdrängung, Verleugnung und Dissoziation überwinden. Anerkennung des Erlebten, z.B. in einer Psychotherapie. Das Trauma zum Ausdruck bringen kann verschiedene Formen annehmen, z.B. im Gespräch mit vertrauten Personen oder über den künstlerischerischen Ausdruck.

  • Die Wiederherstellung der Verbindung zur Gemeinschaft

Hier geht es vor allem darum, das Gefühl des Getrenntseins zu überwinden. Siehe.

Hinweis: Narzissmus bezieht sich hier nicht auf eine psychiatrische Diagnose oder Persönlichkeitsstörung, sondern auf Narzissmus als Persönlichkeitsstil. Narzissmus ist keine Krankheit. Narzissten leiden nicht unter ihrem Persönlichkeitsstil. Sie sind jederzeit zurechnungsfähig und damit für ihr Handeln verantwortlich.

Bild von Ezequiel Octaviano auf Pixabay

Veröffentlicht in:

Heilung, Trauma

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

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