„Ein wütender und kontrollierender Mann kann wie ein Staubsauger sein, der den Verstand und das Leben einer Frau aufsaugt.“
Lundy Bancroft, 2021
Die meisten misshandelnden Männer wirken nicht wie Missbrauchstäter. Der Mann, der seine Frau misshandelt, kann sehr freundlich, humorvoll und herzlich sein. Seine Freunde halten große Stücke auf ihn. Er kann beruflich erfolgreich sein und hat keine Probleme mit Drogen oder Alkohol. Er scheint auch ein guter Vater zu sein. Doch er misshandelt seine Frau.
Selbst die betroffenen Frauen verstehen nicht, dass sie misshandelt werden. Sie befinden sich in der Missbrauchsbeziehung in einem Zustand der Dauerverwirrung.
Die Rede ist von Männern, die ihre Frauen chronisch misshandeln und erniedrigen. Sie müssen dabei keine körperliche Gewalt einsetzen. Nur einige von ihnen tun das. So unterschiedlich diese Männer in ihrer Persönlichkeit sind, so erstaunlich ähnlich sind sie sich in ihren Launen, Ausreden und Einstellungen.
Die Frauen solcher Männer leben mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde unter einem Dach.
Stimmungen ändern sich so drastisch und schnell, dass eine Frau sich nie sicher fühlen kann. Er kann von einem Tag zum anderen, sogar von einer Stunde zur nächsten, ein völlig anderer Mensch sein. Wenn er sich im Modus der verbalen, emotionalen und körperlichen Misshandlung (manchmal „nur“ in Form von Einschüchterung) befindet, hat nichts, was sie sagt oder tut, auch nur die geringste Wirkung. Außer, dass es ihn noch wütender macht. Ihre Sichtweise zählt nicht und in seinen Augen ist sie schuld. Er verdreht alles, was sie sagt, so dass sie immer in die Defensive gerät.
So ähnlich die Missbrauchsmuster dieser Männer sind, so zerstörerisch sind die Folgen für die betroffenen Frauen. Dabei hinterlässt die emotionale Misshandlung viel tiefere Wunden als die körperliche. Dies umso mehr, als die Frauen sie schwer einordnen können. Psychisch grausame und manipulative Männer neigen dazu, nach und nach auch körperliche Einschüchterung anzuwenden.
Das Muster zu misshandeln, setzt sich bei diesen Männern von Beziehung zu Beziehung fort. Dabei zeigen sie ein frappierendes Maß an Verleugnung, Verharmlosung und Verzerrung ihres Verhaltens. Sie halten an ihren Ausreden und Schuldzuweisungen gegenüber den misshandelten Frauen fest und verdrehen die Wirklichkeit, wie es ihnen passt. Es geht ihnen um die Privilegien, die sie durch die Misshandlung erlangen. Die meiste Zeit bekommt der misshandelnde Mann, was er will, alles dreht sich um ihn, und seine Frau reißt sich ein Bein aus, um ihn bei Laune zu halten.
Frauen haben in diesen Beziehungen keine Zeit, über sich selbst nachzudenken, was ihre Situation noch verschlimmert. Sie denken die ganze Zeit darüber nach, wie sie ihn davon abhalten können, so beleidigend und gemein zu sein. Sie denken, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und wollen ihm auch noch helfen, das ständige Auf und Ab zu durchbrechen.
Der misshandelnde Mann sagt seiner Frau oft, was sie denken soll. Denn in seinem Universum weiß er besser, was gut für sie ist. Das führt mit der Zeit dazu, dass sie zunehmend an ihrer eigenen Wahrnehmung zweifelt. Nach einer Beziehung mit einem misshandelnden Mann müssen diese Frauen „ihren Geist vom Knoten befreien, den ihr Lebenspartner geknüpft hat“ (Bancroft, 2021).
Beziehungen zu misshandelnden Männern beginnen natürlich nicht mit Misshandlung, sondern mit Liebe und Zärtlichkeit. Meist setzt die Misshandlung dann irgendwann mit Kritik und Beschwerden ein. Das steigert sich im Laufe der Beziehung, bis die Frau ständig das Gefühl hat, alles falsch zu machen. Häufig verweigern diese Männer ihren Frauen Sexualität, vor allem wenn diese sie initiiert. Gleichzeitig machen sie ihren Frauen Vorwürfe, wenn diese nach einer Episode von Erniedrigung und Grausamkeit kein Bedürfnis nach körperlicher Nähe haben.
Erst wenn die Frauen von Dr. Jekyll und Mr. Hyde verstehen, dass sie wirklich absolut gar nichts zu ihrer Misshandlung beitragen und demnach auch nichts daran ändern können, können sie sich befreien.
Unsere Gesellschaft setzt sich nicht wirklich mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ auseinander, auch wenn einmal im Jahr auf das katastrophale Ausmaß der Gewalt hingewiesen wird. Es bräuchte viel mehr Aufklärung über Psyche und Denken dieser Männer und ein kollektives Erwachen und Verstehen, dass sich gewalttätige Männer mitten unter uns bewegen, oftmals hoch angesehen. Und das Verständnis, dass keine Frau in diesen Beziehungen zu ihrer Misshandlung beiträgt.
Wichtig: Nicht nur Männer misshandeln. Narzisstische Frauen sind in Beziehungen nicht weniger grausam zu ihren Partnern. Dasselbe gilt für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Das Bild, das die Gesellschaft von der Frau hat, lässt diese Vorstellung noch weniger zu als die vom misshandelnden Mann. Und Männer, die von ihren Frauen verbal, emotional und körperlich misshandelt werden, sprechen meist noch weniger darüber. Beziehungen mit Frauen als Missbrauchstäterinnen sind nicht weniger verwirrend und Frauen, die misshandeln nicht weniger brutal. Auch Frauen setzen Sexualität zur Misshandlung ein, immer psychische Misshandlung und manchmal körperlicher Gewalt.
Literatur: Bancroft, L. (2021). Warum tut er das?: Einblicke in die Gedankenwelt von aggressiven und kontrollsüchtigen Männern. Unimedica.