Narzissmus tauglich am Arbeitsplatz?

Am Arbeitsplatz kann es toxische Personalpraktiken, toxisches Management, toxische Führungskräfte, toxische Arbeitsbedingungen und toxische Mitarbeiter geben, die zusammen eine toxische Organisationskultur bilden können.

Im Jahr 2023 befürchten 61 Prozent der Bundesbürger, an Überlastung zu erkranken[1]. Das Burnout-Syndrom ist ein schwerer und lang anhaltender Erschöpfungszustand mit körperlichen und psychischen Beschwerden. Die Genesung von einem Burnout verläuft langsam und häufig kehrt das alte Energieniveau nicht vollständig zurück (vgl. Rümke, 2012). Burnout ist daher eine sehr ernst zu nehmende Erkrankung.

Das klassische Burnout-Syndrom wird mit Überforderung am Arbeitsplatz erklärt. Natürlich können auch private Bedingungen zu einer völligen Erschöpfung führen oder eine Kombination aus beruflichen und privaten Bedingungen. Der Begriff wurde erstmals vom Psychiater Herbert Freudenberger (1979) benutzt, der das Krankheitsbild bei jungen Pflegekräften beschrieb.

Es gibt auch empirische Hinweise darauf, dass Narzissten aufgrund ihrer Einstellung zur Arbeit ein erhöhtes Burnout-Risiko haben. Dies liegt unter anderem daran, dass ihnen die Sichtbarkeit und Anerkennung ihrer beruflichen Erfolge besonders wichtig ist. Durch ihre mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflexion und durch ihre Selbstüberhöhung fühlen sie sich zudem häufig missverstanden und angegriffen (vgl. Schwarzkopf et al., 2016). Narzissten leiden in diesem Fall an ihrem eigenen Persönlichkeitsstil, der je nach Machtposition so viele andere Menschen in die Erschöpfung treibt.

Am Arbeitsplatz kann es toxische Personalpraktiken, toxisches Management, toxische Führungskräfte, toxische Arbeitsbedingungen und toxische Mitarbeiter geben, die zusammen eine toxische Organisationskultur bilden können (vgl. Koropets et al, 2020).

Die Ursachen für Burnout werden meines Erachtens zu sehr bei den Betroffenen selbst gesucht. Den Menschen wird Stressmanagement oder einfach nur „Grenzen setzen“ empfohlen. Dabei wird ausgeblendet, wie extrem toxisch die Arbeitsbedingungen sein können. Ausgerechnet hoch engagierte, gewissenhafte und empathische Menschen sollen sich vor ihren guten Eigenschaften schützen? Das ist in meinen Augen ein trauriges Weltbild, denn sollten wir nicht vielmehr dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen genau diese Eigenschaften schützen und fördern? Selbst ein Zen-Meister wird unter extrem toxischen Arbeitsbedingungen krank.

In einer Welt, die immer mehr aus den Fugen zu geraten scheint, sollten wir die Menschen nicht für Narzissmus fit machen, sondern alles daran setzen, die toxischen Arbeitsbedingungen zu verändern und den Narzissten nicht in die Hände zu spielen.

Toxische Arbeitsbedingungen sind komplex, narzisstische Vorgesetzte spielen eine Schlüsselrolle. Hier einige Hinweise auf toxische Führungskräfte:

  • Sie haben ein enormes Geltungsbedürfnis und müssen im Mittelpunkt stehen.
  • Sie sind oft (aber nicht immer) hoch angesehen und haben eine treue Anhängerschaft.
  • Ihre treuesten Anhänger zeigen oft Symptome von Erschöpfung.
  • Sie überschreiten Grenzen (z.B. Vermischung von Privatem und Beruflichem) oder verhalten sich extrem „unorthodox“.
  • Sie inszenieren sich immer wieder als Opfer und inszenieren Dramen.
  • In ihren Kreisen herrscht ein klassisches „Freund-Feind-Denken“.
  • Sie reden ungeniert und abwertend über Kolleginnen und Kollegen in deren Abwesenheit.
  • Flache Hierarchien werden „vorgetäuscht“. Starre Hierarchien dominieren.
  • Mitarbeitende werden erst extrem idealisiert und dann einfach aussortiert.
  • Extreme Abwertung, ungerechtfertigte Kritik und Verrücktmachen sind an der Tagesordnung.
  • Es kommt zu einem häufigen Personalwechsel unter den „Untergebenen“.
  • Sie behandeln Menschen je nach Status unterschiedlich.
  • Sie beuten Menschen aus. Manchmal völlig sinnlos. Es geht ihnen um Macht, Dominanz und Kontrolle.
  • Wichtige Arbeit kann von ihnen sabotiert oder zerstört werden, wenn sie dadurch Macht demonstrieren wollen. Es geht ihnen nicht um die Sache, sondern um sich selbst.

Man kann versuchen, es narzisstischen Vorgesetzten recht zu machen, d.h. ihnen eine verlässliche narzisstische Zufuhr zu bieten und ständig über die eigenen Grenzen hinauszugehen. Dann riskiert man ein Burnout. Man kann sich für sie uninteressant machen, dann sortieren sie einen aus, was je nach Rahmenbedingungen gut oder schlecht sein kann. Für die Gesundheit ist es auf Dauer sicherer. Man kann auch selbst gehen.

Rümke, A. (2012). Burnout-Sprechstunde: Frühsymptome erkennen, wirksam vorbeugen, neu leben lernen. Freies Geistesleben.

Schwarzkopf, K., Straus, D., Porschke, H., Znoj, H., Conrad, N., Schmidt-Trucksäss, A., & von Känel, R. (2016). Empirical evidence for a relationship between narcissistic personality traits and job burnout. Burnout Research3(2), 25-33.

Koropets, O., Fedorova, A., & Dvorakova, Z. (2020, March). The impact of toxic management on staff burnout. In International Scientific Conference“ Far East Con“(ISCFEC 2020) (pp. 1808-1812). Atlantis Press.


[1] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/149236/Viele-Beschaeftigte-fuerchten-ein-Burnout_8.10.24

Hinweis: Narzissmus bezieht sich hier ausdrücklich nicht auf eine psychiatrische Diagnose bzw. Persönlichkeitsstörung, sondern auf Narzissmus als Persönlichkeitsstil.

Veröffentlicht in:

Narzissmus

Über die Autorin

Julia Krawitz

Als Psychologin (Master of Science) unterstütze ich dich toxische Beziehungen in deinem Leben zu erkennen, mit toxischen Beziehungen umzugehen und dich vor weiteren toxischen Beziehungen zu schützen.

In toxischen Beziehungen wandelst du wie im Nebel. Ich unterstütze dich bei der Nebelklärung.

Zu meinen Trainings Mehr über mich